Das alte Herrenhaus zu Klein-Tschirnau, Kreis Glogau, auf dem linken Oderufer unwe it des Stroms an dessen Thalrand gelegen, ward 1558 von W o lf G l a u b i t z erbaut. Das mit reichen Ornamenten geschmückte noch wohlerhaltene Portal giebt, in Stein gehauen, über den Erbauer und die Bauzeit folgenden Nachweis: „1558 Montag nach Pfingsten hat W o l f G l a u b i tz den Baw angefangen," neben einer der Seitennischen befindet sich ein Gedenkstein mit der Inschrift: „1559 C h r i s t o p h G l a u b i t z zur Tzschirne," „Alles mit Bedacht."

Das Geschlecht der G l a u b i t z gehörte in jener Zeit zu dem mächtigsten und reichsten Adel im nördlichen Schlesien. Tzschirne oder wie es jetzt heisst „Klein-Tschirnau" scheint der Hauptsitz der Familie gewesen zu sein, woselbst sie ihre Geschlechtstage abgehalten hat, so lange das Haus mit den vier zugehörenden Rittergütern Tschirnau, Doberwitz und Weckelwitz auf dem l inken, Gross- und Kl e in-Skeyden auf dem rechten Ode ruf e r, Eigenthum des Geschlechts verblieb.

Da das Archiv des Hauses in den Kriegsjahren von 1806 - 1807 durch die Franzosen vernichtet worden ist, so bleibt nur die Vermuthung auszusprechen, dass der dreissigjährige Krieg und seine schlimmen Folgen das plötzliche uund vollständige Sinken des grossen Grundbesitzes der Glaubitz veranlasst haben mag, denn im Anf ange des achtzehnten Jahrhunderts finden wir die Herrschaft Klein Tschirnau im Besitze der Herren v o n S t o s c h, welche auch einen grossen Theil der anderen Besitzungen der Glaubitz im Fürstenthum Glogau dazu erworben hatten. Die Familie S t o s ch gehört zu den alten eingeborenen schlesischen Rittergeschlechtern, reichbegütert, mächtig und angesehn in verschiedenen Landestheilen.

Auch sie hatte Willen und offene Hand zur Erhaltung des alten Hauses „ zur Tzschirne", dessen Restaurirung anno 1721 erfolgte, \ue eine der Portalinschriften bezeugt. Den Seitenflügel erbauten die Stosch gleichfalls in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Am Schluss des letzteren veräusserten sie die Tschirnau er Güter, und es gelangten dieselben in kurzen Zwischenräumen in die Hände der benachbarten Fürsten von S c h ö n a i c h - C a r o l a t h , später der Fürsten zu L y n a r u nd endlich der Herren v on D ' O r v i l l e, bis sie im Jahre 1830 der gegenwärtige Besitzer, der Königliche Kammerherr, Freiherr v o n B u d d e n b r o c k käuflich erwarb. Das Gesammtareal der vier Rittergüter enthält 4,400 Morgen. Davon sind 3,300 Morgen Ackerland, das übrige Wiesen, Busch und Werder. Der Boden gehört zu dem vorzüglichsten der Gegend und erlaubt den ausgedehnten Anbau von Raps, Flachs, Zuckerrüben und Klee.

Der mächtige und solide Bau des alten Herrenhauses giebt heute noch vollgültiges Zeugniss von den reichen Mitteln, so wie dem festen und tüchtigen Sinne der Erbauer, nur war es 1830 die höchste Zeit, dass eine pflegende Hand den beginnenden Ruin abwendete. Dies geschah 1831 bis 1833 durch den jetzigen Besitzer, der damals eine vollständige Restauration des Hauses, sowohl des älteren Baues als des Seitenflügels bewirkte. So ist denn die „Tzschirne" eines der wohlerhaltensten unter den schlesischen Rittersitzen aus dem späteren Mittelalter, und feiert 1859 ihr dreihundertjähriges Bestehen in Festigkeit und wohnlicher Beschaffenheit.

Das zierliche Portal, die schönen Gewölbe und tiefen Mauernischen der Wohnzimmer, die hohen stolzen Giebel mit Ornamenten im gothischen Style, gereichen dem Freunde mittelalterlicher Baukunst zur Befriedigung. Das alte Haus macht auf den Beschauer den Eindruck, als ob es noch weiter einige Jahrhunderte mit seinen hohen leuchtenden Giebeln hinaus in die grünende Oderniederung blicken we r d e, zur Freude nachkommender Geschlechter, denen Kr a ft und Wille zur Erhaltung des alten mächtigen Bauwerks so lange ungeschwächt bleiben möge, bis in Erfüllung seines, wie allen irdischen Geschicks: „aus den Ruinen neues Leben blüht".